Insektenschutzgesetz

Baden-Württembergische Landwirte stehen vor 
großen Herausforderungen

Tiefgreifende Folgen durch angestoßene Gesetzesänderungen 

Demonstration einmal anders: Statt Massenkundgebungen und Protestmärschen reihte sich auf Berlins Straßen und vor den maßgeblichen Bundesministerien über Wochen Traktor an Traktor. Mahnwachen finden weiterhin täglich statt. Mit dabei sind auch Landwirte aus Baden-Württemberg. Sie wollen nicht nur die Politiker auf ihre Situation aufmerksam machen. Ihnen ist wichtig, mit den Menschen in ihrer Heimatregion ins Gespräch zu kommen und aus erster Hand zu berichten, welche Auswirkungen die neuen Verordnungen und Gesetze auf sie und ihre Höfe in Baden-Württemberg haben. 

Klaus Zendler und Michael Strecker, Landwirte aus dem Hohenlohekreis, haben gleich zwei Mal innerhalb von drei Wochen den Weg nach Berlin auf sich genommen. Dabei geht und ging es ihnen nicht nur um das sogenannte Insektenschutzgesetz: „Wir haben Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ein Schreiben mit fünf Forderungen der deutschen Landwirte übergeben”, berichtet Klaus Zendler. „Wir wünschen uns, dass jeder beim Einkaufen erkennen kann, wo seine Lebensmittel herkommen. Preislich können die nach höchsten Standards in Deutschland produzierten Lebensmittel oft nicht mit Produkten aus dem Ausland mithalten. Gleichzeitig bekommen wir aber immer neue Auflagen, deren Umsetzung uns Geld kosten. Damit müssten unsere Produkte teurer werden, was im Wettbewerb mit den günstiger hergestellten, importierten Lebensmitteln nicht möglich ist.“


Auch die neue Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und der Gesetzentwurf für Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz, der unter anderem das Verbot von Insektiziden in Schutzgebieten vorsieht, veranlassen die Landwirte zu öffentlichem Protest. Denn Artenvielfalt und Insektenschutz sind auch Ziele der Änderungen von Naturschutzgesetz sowie von Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz, die 2020 in Baden-Württemberg verabschiedet und sowohl von Landwirten als auch von Umweltschutzorganisationen mitgestaltet wurden. Die Gesetzesänderungen nehmen die baden-württembergischen Landwirte in die Pflicht, erstrecken sich zum Erhalt der biologischen Vielfalt in der abwechslungsreichen und klein strukturierten Kulturlandschaft Baden-Württembergs auch auf Kommunen und Privatpersonen. Neben chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln wird beispielsweise auch die Reduzierung der für Insekten schädlichen Lichtverschmutzung einbezogen.


Nun stellt der Gesetzentwurf auf Bundesebene diesen Erfolg auf Landesebene in Frage. „Wir spritzen unsere Pflanzen nicht aus Jux und Tollerei. Das sind alles teure Mittel“, gibt Michael Strecker zu bedenken, für dessen Hof der Ackerbau ein wichtiger Betriebszweig ist. „Auf unseren Getreideäckern verzichten wir auf Teilflächen bereits auf Herbizide und probieren aus, wie der Anbau ohne diese Mittel gelingen kann. Zum Beispiel stellen wir auf mechanische Bodenbearbeitung wie das Striegeln um, und auch das hat nicht nur Vorteile. Die Nester von Bodenbrütern oder auch Feldhasen sind dann in Gefahr und es könnte zusätzliche Erosion entstehen, die der Landwirtschaft zugeschrieben wird. Wir sind für neue Lösungen offen, aber aus meiner Sicht gibt es derzeit keinen Königsweg.“ 

Pflanzenschutzmittel auch im Bio-Bereich

Zwar wurde im aktuellen Gesetzentwurf unter anderem für Obst- und Weinbau das Verbot von Herbiziden und bestimmten Insektiziden, also Unkrautbekämpfungsmitteln und Insektenvernichtungsmitteln, in den sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Gebieten ausgenommen, viele Landwirte in der Region befürchten für die Zukunft dennoch für die eigenen Betriebe Einschränkungen: „Im Sonderkulturbereich wie Wein- und Obstbau benötigen wir Pflanzenschutzmittel“, erklärt Winzer Rainer Dieroff aus Michelbach am Wald. „Selbst im Bio-Bereich ist Pflanzenschutz notwendig. Das ist nur vielen nicht bewusst. Man kann Pflanzenschutzmittel im Obst- und Weinbau nicht einfach weglassen.“ Er selbst verzichtet seit vier Jahren aus eigenem Antrieb im Weinbau auf Glyphosat und bekämpft auf einem Teil seiner Äcker das Unkraut nur noch mechanisch oder durch eine passende Untersaat. „Dafür braucht man Wissen und Erfahrung. Leider gibt es keine Beratung von öffentlicher Seite, wie Landwirte diese Veränderung am besten angehen. Wir sind mit unseren Versuchen oft genug auf die Nase gefallen und haben für neue Ideen teuer bezahlt. Die Umstellung funktioniert auf keinen Fall von heute auf morgen.“


Jochen Mönikheim aus Creglingen im Main-Tauber-Kreis, bei seinen Kollegen bekannt als „Menix“, beteiligt sich regelmäßig an den Demonstrationen und Mahnwachen in Berlin. Ihn beschäftigen unter anderem die neuen Abstandsregeln zum Schutz von Gewässern: „Stellen sie sich vor, sie dürfen in ihrer Wohnung plötzlich ein Zimmer nicht mehr benutzen, oder werden verpflichtet, auf ihrem Balkon ein Insektenhotel aufzustellen, und das ohne Entschädigung. Unvorstellbar? Für Landwirte, die Wiesen und Äcker entlang von Gewässern besitzen, soll das jetzt Wirklichkeit werden. Der neue Gesetzentwurf sieht vor, dass man mit Pflanzenschutzmitteln zehn Meter Abstand zum Gewässer halten muss oder man legt einen ganzjährig begrünten Randstreifen von fünf Metern Breite an, für den das gleiche gilt“, macht er die Entrüstung vieler Landwirte anschaulich. „Für mich kommt dieses Vorgehen einer Enteignung gleich.“

„Unsere Landschaft wird sich verändern, weil es Bereiche geben wird, die nicht mehr bewirtschaftet und damit von den Landwirten nicht mehr gepflegt werden“, ist sich Andreas Ickert sicher. Seine Familie betreibt seit mehreren Generationen Obst- und Weinbau in Michelbach am Wald. „Um Pflanzenschutzmittel zu reduzieren machen wir schon viel, was von der Gesellschaft oft nicht bemerkt wird.“ Zwischen seinen Reben legt er insektenfreundliche Blühstreifen an und betreibt seinen Hof nach den Richtlinien des integrierten und kontrollierten Anbaus. Das heißt, er schöpft erst alle anderen Möglichkeiten aus, bevor er Pflanzenschutzmittel einsetzt. „Damit gelingt es uns bereits, den Weinbau frei von Insektiziden zu halten.“


Der neue Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass Streuobstwiesen in den Kreis der nach Bundesrecht gesetzlich geschützten Biotope einbezogen werden. Nach Informationen des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Stuttgart steht fast jeder zweite Streuobstbaum Deutschlands in Baden-Württemberg. Damit ist das Bundesland von dieser Regel besonders stark betroffen. „Viele Streuobstwiesen werden dann nicht mehr gepflegt, weil das zu aufwendig und nicht wirtschaftlich ist“, ist sich Andreas Ickert sicher. Auch Michael Reber aus Gailenkirchen bei Schwäbisch Hall betrifft der neue Schutz der Streuobstwiesen. Erst im vergangenen Jahr hat er aus eigenem Antrieb eine Wiese mit 20 Obstbäumen bepflanzt und seine bestehenden Streuobstwiesen damit erweitert. Nun könnte ihn das neue Gesetz – wenn es in der vorliegenden Form verabschiedet wird – ebenfalls betreffen. Zwar sieht der Gesetzentwurf vor, Streuobstwiesen ab einer Fläche von 1.500 Quadratmetern und mindestens 25 lebenden Bäumen unter Schutz zu stellen, doch ob Wiesen als zusammenhängende Flächen oder einzelne Schläge, also Flurstücke, gewertet werden, und seine neue Streuobstwiese damit unter besonderen Schutz gestellt wird, ist nicht definiert. „Wer freiwillig Biotope wie Streuobstwiesen anlegt, darf nicht auch noch dafür bestraft werden“, findet er.

„Aus Sicht der Landwirte ist die Gesetzesänderung einfach nicht zu Ende gedacht worden“, erklärt Gerald Heinrich, Landwirt aus Öhringen-Büttelbronn. Er ist im Biotopvernetzungskonzept der Stadt Öhringen aktiv, legt Blühstreifen an und bewirtschaftet eine Streuobstwiese der Stadt. „Mit fachlich fundierten Änderungen kann man umgehen. Aber die angestrebten Änderungen ohne entsprechende Unterstützung führen zu einem Strukturwandel. Kleine, breiter aufgestellte Betriebe müssen sich spezialisieren, um mithalten zu können.“ Sein Berufskollege Tobias Böhringer ergänzt: „Hinzu kommt, dass oft nur sehr große Investitionen gefördert werden. Alles wird teurer, nur die Preise für landwirtschaftliche Produkte nicht.“ Die beiden sind sich einig, dass eine Umstellung ausschließlich auf Bio-Produkte auch nicht realistisch ist: „Wir können nicht am Verbraucher vorbei ausschließlich auf ökologischen Landbau umstellen“, sagt Gerald Heinrich, „denn der Aufwand für ökologisch produzierte Lebensmittel ist deutlich höher und das schlägt sich bei Bio-Produkten auch in den Verbraucherpreisen nieder.“

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