Hofporträt Familie Kübler

Ländliche Idylle ohne Zukunft

Brigitte Kübler bewirtschaftet einen kleinen Hof im Schwäbisch-Fränkischen Wald 

Es ist ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch: Über einem Bogen rankt eine Kletterrose, im Schatten eines Baumes steht ein Bänkchen. In einem großen Auslauf scharren Hühner, im Stall fressen Kühe zufrieden frisches Gras, unter der Decke nisten Schwalben. Auf dem Misthaufen vor dem Stall summen und brummen Insekten, in der Scheune stehen landwirtschaftliche Geräte bereit für den nächsten Einsatz.

Romantisches Landleben.

Doch der Schein trügt: „Ewig wird das so nicht mehr weitergehen“, sieht Brigitte Kübler die Zukunft ihres Hofes nüchtern.

Milchkühe im Mittelpunkt

Die Landwirtin ist auf dem elterlichen Hof im kleinen Örtchen Waltersberg bei Murrhardt aufgewachsen, inmitten der bergigen Landschaft des Schwäbisch-Fränkischen Waldes. Nach der Geburt des dritten Kindes hat die engagierte Landwirtin von ihren Eltern den Hof übernommen. Ihr Mann ist selbstständig. Die Kinder sind mittlerweile erwachsen und gehen anderen Berufen nach. So müssen alle Arbeiten, die allein nicht zu bewältigen sind, auf den Feierabend verschoben werden. Das erfordert zusätzliche Planung.


In Waltersberg gibt es keine großen, zusammenhängenden Flächen, die hier bewirtschaftet werden können. Insgesamt 20 Hektar Grünland dienen Brigitte Kübler für 20 Milchkühe und deren Nachwuchs als Futtergrundlage. Hinzu kommen drei Hektar Ackerland und 45 Hektar Wald. Verglichen mit landwirtschaftlichen Betrieben in anderen Regionen Baden-Württembergs ein kleiner Hof. Eine wirtschaftliche Vergrößerung ist hier, wo Fläche knapp und teuer ist, kaum möglich. „Geographisch ist nicht mehr drin“, erklärt Brigitte Kübler.



Im Mittelpunkt ihres Betriebes stehen die Milchkühe. Und das ist der Grund, warum der Kübler-Hof in seiner jetzigen Form wohl keine Zukunft mehr hat: Der Anbindestall ist in der modernen Landwirtschaft ein Auslaufmodell. Die Kälber und jungen Rinder haben Laufställe. Im Sommer kommen die Jungtiere auf die Weide, während die Milchkühe im Stall bleiben. Nur wenn sie während der Trächtigkeit keine Milch geben, sind auch sie mit auf den Wiesen. „Umbauen werde ich sicher nicht mehr“, sagt Brigitte Kübler, die als eine der letzten in der Gegend überhaupt noch Viehhaltung betreibt. Manche Höfe nehmen Reitpferde in Pension, andere setzen auf Hühner und Ziegen oder haben die Landwirtschaft ganz aufgegeben. 

Enger Kontakt zu den Tieren

Zwar ist die Anbindehaltung von Milchkühen aktuell noch erlaubt, doch die Rahmenbedingungen werden für die Landwirte unwirtschaftlich: „Das Ende wird nicht von politischer Seite bestimmt“, erklärt Brigitte Kübler. Vielmehr sei es der Lebensmitteleinzelhandel, der Verbraucher mit Aufdrucken wie „keine Milch aus Anbindehaltung“ locken wolle, erzählt sie. Molkereien müssten dann mit einem extra Milchlaster die Höfe mit Anbindehaltung anfahren und deren Milch getrennt verarbeiten. Ein Teil der Kosten wird den Landwirten vom Milchpreis abgezogen. Das ist für beide Seiten unrentabel. 



Es gibt zahlreiche Vorschriften und Regeln rund um die Viehhaltung. „Wenn ich mit meinen Tieren lebe, muss ich doch wissen, was ihnen gut tut“, findet Brigitte Kübler. Sie kennt jede ihrer Kühe ganz genau, sieht sie täglich beim Melken, Füttern, Misten und striegelt ihnen im Frühjahr den Winterpelz aus dem Fell. Auf ihrem Hof gibt es keine automatischen Bürsten wie in großen, modernen Ställen mit hunderten Kühen – bei ihr ist das noch Handarbeit. Eine enge Verbindung von Mensch und Tier, so stellen sich viele das Leben als Landwirt vor. In Wirklichkeit ist das Ende dieser Idylle nur eine Frage der Zeit. Doch das sieht der Verbraucher nicht, der Milch fertig verpackt in Tetrapacks im Supermarkt kauft. 

Die Entfremdung vieler Menschen von der landwirtschaftlichen Realität sieht Brigitte Kübler besonders deutlich, seit durch die Corona-Einschränkungen die Region rund um Waltersberg „touristisch überlaufen“ ist, wie sie sagt. „Fremde Leute benutzen unsere landwirtschaftlichen Flächen wie selbstverständlich mit.“ Autos fahren und parken auf ihren Wiesen, die sie dringend als Futtergrundlage für ihre Tiere braucht. „Ach, das fressen Kühe?“, hat sie schon zu hören bekommen. In ihren Waldstücken bauen sich Biker Trails, scheuchen bei ihren Fahrten das Wild auf und bringen sich selbst und andere in Gefahr, wenn Familie Kübler vom Borkenkäfer befallene Bäume fällt. Denn unbefugt angelegte Trampelpfade lassen sich nicht absperren: „Die Radfahrer sind plötzlich wie aus dem nichts da“, berichtet die Landwirtin ratlos. Einen weiteren Wunsch hat Brigitte Kübler an die Erholungssuchenden: „Es wäre schön, wenn alle ihren Müll wieder mitnehmen würden.“



Zurück zu den Kühen, die derzeit noch auf dem Hof stehen. Wenn sie nicht mehr da sind, wird sich einiges verändern: Kein Misthaufen vor dem Stall wird Insekten anlocken, den Schwalben wird damit die Futtergrundlage genommen und sie werden ihre nächste Brut anderswo großziehen. Der Ertrag der Wiesen auf dem Kübler-Hof wird nicht mehr als Futter benötigt. Weitgehend ebene Stücke lassen sich verpachten. Die arbeitsintensiven Hanglagen jedoch nicht. „Das wird noch ein Problem geben“, sagt Brigitte Kübler und denkt über die Anschaffung einiger Ziegen nach, die dann an den Hängen weiden und die Kulturlandschaft weiter pflegen sollen. 

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